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Der Technologieträger Ju 288 soll der Junkers AG endgültig die Vorherrschaft im "großdeutschen" Flugzeugbau sichern

 

Eine Augenweide ist die Ju 288 B V14 mit dem kleinen Jumo 222 A/B (links-rechtsläufig) von je 2.500 PS.

 

 

Ein frühes Projekt der Ju 288 (EF-74?) mit Höhen-Dieselmotoren Jumo 223 für den Langstreckeneinsatz.

 

 

Der gegenüber der Ju 88 verbesserte Motoreneinbau des Jumo 222 in die Ju 288 für kleinsten Stirn- und Oberflächenwiderstand.

 

 

Im Dezember 1940 war die Ju 288 V1 in Halle 201 für ein erstes Ganzfoto hinreichend fertiggestellt. Die V1 hatte noch die großen luftgekühlten Motoren BMW 801.

 

 

Der Hochleistungsbomber Ju 288 stand und fiel mit seinem Reihen-Stern-Motor Jumo 222, auf den der Entwurf und erst recht die Zellenkonstruktion zugeschnitten war.

 

 

Der Hochleistungsmotor Jumo 222 des Hochleistungsbombers Ju 288 im Transportwagen.

 

 

Dreiseitenriß und Leistungsdaten der Ju 288 V6 (geplante Serienausführung) mit Jumo 222 von 2.000 PS.

 

 

Die EF-73 (?) im Dessauer Windkanal. Die Ju 288 war übrigens das erste Flugzeug der Welt, von dem ein gewichtlich abgestimmtes Flattermodell für den Windkanal gebaut worden ist.

 

 

Das Verglasungsgerüst für die Druckkabine der Ju 288 V1. Im Hintergrund das Junkers-Konstruktionsbüro im Dessauer Stammwerk (FSD).

 

Deckblatt der Angebotsmappe zur Ju 288 B für das RLM.

 

Konstruktion der Ju-288-Druckkabine.

 

 

Ablauf der Druckkabinenprüfung während der Serienfertigung.

 

 

Technologischer Ablauf in der Serienfertigung (Endmontage).

 

 

Die Viermann-Kanzel der Ju 288 V9 war etwa 60 cm breiter als die Schmalkanzeln bis Ju 288 V8.

 

 

Flügelkonstruktion in Holmbauweise mit Kraftstoff-Behältern.

 

 

Stirnschnitt durch den Reihen-Stern-Motor Jumo 222 A/B mit 46 Litern Hubraum aus 24 Zylindern und 2.500 PS.

 

 

Effektivierte Produktion der Ju 288 durch Aufgliedern der Baugruppen.

 

 

Die Ju 288 V5 bekam als erste Maschine den Jumo 222 A/B eingebaut. Der Motor leistete zu diesem Zeitpunkt nur 2.000 PS. Dennoch war die Leistung so hoch, daß eine vierflüglige Luftschraube VS-7 notwendig wurde. Der kleine Jumo 222 ist tief in die Flügelnase eingezogen. Die Auspuffverlegung dient als Abgas-Schub für große Höhen.

 

 

Die schmale "Jäger"-Kanzel der Ju 288 V2.

 

 

Aufstellung aller existierender V-Maschinen der Ju 288 vom 18. Oktober 1943.

 

Der Technologieträger Ju 288 muß in eine Reihe gestellt werden mit dem Pfeilflügelflugzeug Ju 287. Denn die Ju 287 wäre ohne die Vorarbeiten zur Ju 288 nicht möglich geworden (ausführlich im Buch "Kennzeichen Junkers" Seiten 164 bis 197).

 

Dieses Schnittbild zeigt die hohe Entwurfskultur eines Hans Wocke, der maßgeblich für die Kompaktheit und beste Raumausnutzung der Ju 288 Sorge getragen hat.

 

Dabei verlief die Entwicklung der Ju 288 zunächst ganz unspektakulär. Bereits am Ende der Ju-88-Entwicklung hatte sich das Junkers-Projektbüro mit der Verbesserung der Ju 88 beschäftigt. Chefprojektant August Wilhelm Quick und Entwurfsingenieur Hans Wocke fertigten 1936/37 einige Skizzen an, wie man mit verbesserter Aerodynamik, stärkeren Motoren und geringeren Gewichten zu höheren Leistungen kommen konnte. Gegenüber der Ju 88 waren prinzipiell folgende Probleme zu lösen: Unterbringung aller existierenden Bombenkaliber im Rumpf, bessere Sichtbedingungen für den Piloten, den Bombenschützen und für die Selbstverteidigung, Beschränkung der Besatzungsstärke auf drei Mann durch ferngesteuerte Waffen. Darüberhinaus sollte die Oberfläche des neuen Bombers so klein wie möglich gehalten werden mit allen sich daraus ergebenden Vorteilen, die da wären: kleiner Oberflächen-Widerstand, geringe Angriffsfläche für gegnerische Flugzeuge, geringerer Stirnwiderstand, bessere Beschleunigung, geringerer Kraftstoffverbrauch und höheres Überraschungsmoment. Diese verschiedenen Entwürfe dürften die EF-Nummern zwischen EF 62 und 76 getragen haben.

Der zellengerechte Hochleistungsmotor Jumo 222   
Der alles entscheidende Anstoß zur Entwicklung der Ju 288 (EF-73?) kam jedoch vom Motorensektor. Nach den Erfolgen mit den Motoren Jumo 210 und 211, die Literleistungen von 30 PS erreicht hatten, zeichnete sich 1936 die Entwicklung von Motoren mit Literleistungen von 50 PS ab. Im April 1937 hatte der von Prof. Otto Mader eingestellte Österreicher Ferdinand Brandner den Auftrag zur Schaffung eines solchen Motors bekommen. Brander löste diese Aufgabe mit Bravour. Nur einen Monat später legte er Prof. Mader den Entwurf eines preßwassergekühlten 24-Zylinder-Motors in Reihen-Stern-Form vor, der Otto Mader begeisterte. Nie zuvor hatte es einen kleineren und leistungsstärkeren Motor gegeben, der noch dazu durch einfaches Hinzufügen weiterer Sterne in Größenordnungen weiterentwicklungsfähig war. Der Motor bekam die Bezeichnung Jumo 222 und Ferdinand Brandner eine eigene Entwicklermannschaft mit eigenen Räumlichkeiten und den Zugriff auf alle Junkers-Labore, Entwicklungseinrichtungen und Prüfstände.

Junkers ködert mit dem Ju-288-Entwurf das RLM
Auf der Basis dieses Motors begann Hans Wocke am Entwurf der EF-73 (Bezeichnung nicht gesichert) ab Mitte 1937 zu arbeiten (sein Chef August W. Quick war inzwischen zur DVL gewechselt). Gemeinsam mit der Entwurfsaerodynamik unter Dr. Sieghard Hörner, dem Windkanal unter Philipp von Doepp, der Leistungsrechnung unter Edgar Dannecker und dem Statischen Büro unter Karl Aikele entstand ein vielversprechendes extrem kleines Flugzeug, das mit 3.000 kg Bombenlast eine Höchstgeschwindigkeit von 675 km/h erreichen sollte bei einer Reichweite von 1.800 Kilometern. Gleichzeitig wurde ein Entwurf auf der Basis eines ebenfalls vollkommen neuen Motors, nämlich des Turbo-Diesel-Motors Jumo 223, ausgearbeitet, der aus der Ju 288 einen Langstreckenbomber und ein Seeüberwachungsflugzeug machen sollte (EF-74?). Dieses Flugzeug kam auf eine Höchstgeschwindigkeit von 650 km/h. Bei einer auf 500 km/h gedrosselten Marschgeschwindigkeit sollte eine Reichweite von 6.000 Kilometern möglich sein.
   Diese beiden Entwürfe reichte Junkers-Generaldirektor Heinrich Koppenberg 1938 beim Technischen Amt des RLM ein. Auf der Grundlage dieses Entwurfs ging wenig später an alle deutschen Flugzeugfirmen eine Ausschreibung auf den "Bomber B" heraus mit der Maßgabe, eigene Entwürfe mit dem Motor Jumo 222 an das RLM einzureichen. Im Prinzip war da aber schon klar, daß der Entwicklungsvorsprung von Junkers durch die anderen Hersteller nicht mehr aufzuholen war und Junkers den Bauauftrag bekommen würde. Von den eingereichten Entwürfen blieben nur die Focke-Wulf 191 und die Dornier 317 im Rennen und schafften es bis zum Bau einiger Versuchsflugzeuge. Doch wirklich messen konnte sich keines der beiden Flugzeuge mit der Ju 288, dafür war das Entwicklungspotential bei der Firma Junkers viel zu groß. Denn in der Zwischenzeit hatte Hans Wocke mit der Vorkonstruktion (Franz Strobel) und dem Musterbau (Johannes Haseloff) bei Junkers ein technologisch so hochstehendes Flugzeug geschaffen, das schon von der Personaldecke und den wissenschaftlichen Einrichtungen her von den viel kleineren Firmen wie Focke-Wulf und Dornier gar nicht abgedeckt werden konnte.

 

Einsatzspektrum und Schema der Reichweiten der Ju 288.

 

Der Technologieträger Ju 288
Hier nun beginnt die Geschichte des "Technologieträgers Ju 288", der alles bis dahin im Flugzeugbau Gesehene in den Schatten stellt. Mit der Ju 288 wollte Generaldirektor Heinrich Koppenberg die Vormachstellung von Junkers nicht nur weiter ausbauen, sondern ein für alle Mal unumkehrbar machen. Und das kam so: Die wirtschaftliche Entwicklung von 1933 bis 1938 hatte den "Machern" der deutschen Flugzeugindustrie vor Augen geführt, wie fragil diese rein auf den Militärflugzeugbau ausgerichtete Tätigkeit doch eigentlich war. Bereits 1936 schrammte die Branche nur knapp an einer großen Krise vorbei, wo etlichen Verantwortlichen klar wurde, daß im Prinzip nur zwei große Firmen überleben können. Nämlich ein Großkonzern für Jagdflugzeuge und einer für Transportflugzeuge. Der Rest würde sich mit dem Bau von Sportflugzeugen oder Segelflugzeugen begnügen müssen bzw. ganz von der Bühne abtreten.
   Junkers als der größte und potenteste europäische Flugzeugbauer hatte in diesem gnadenlosen Konkurrenzkampf die besten Karten. Wenn es der Firma Junkers mit ihren rund 5.000 Ingenieuren gelänge, ein Flugzeug zu bauen, das durch geringe Umrüstungen in der Lage wäre, alle Einsatzspektren in der Luftwaffe abzudecken, hieße das für alle anderen deutschen Flugzeugbauer, daß sie zu "Nachbaufirmen" der Firma Junkers degradiert und später über kurz oder lang in den Junkerskonzern integriert werden würden. So das Kalkül von Heinrich Koppenberg, der sich im Flick-Konzern vom einfachen Arbeiter zum Direktor eines mitteldeutschen Stahlwerks (Stahlwerk Riesa) mit Macht hochgearbeitet hatte.
 

  Bei Projektant Hans Wocke liefen ab 1939 alle Fäden zusammen. Er sollte mit der Ju 288 eine "eierlegende Wollmilchsau" schaffen, die die besten Eigenschaften der Ju 88, He 177 und Me 110 in sich vereinen müßte. Seine Mitarbeiter im Projektbüro waren der Leistungsrechner Dietrich Harms, der technische Mitarbeiter Richard Blaschke und die Techischen Zeichner Georg Purucker und Hans Riediger. Im Mai 1939 erhielt Hans Wocke Verstärkung, als auf den Sessel des Entwicklungschefs Prof. Dr. Heinrich Hertel Platz nahm. Koppenberg hatte Hertel von Heinkel weggeholt, weil Hertel bei Ernst Heinkel wegen der Entwicklung der He 177 in Ungnade gefallen war. Professor Hertel nahm die Herausforderung an und widmete sich intensiv der Ju 288. Besonders Hertel war es, der der Ju 288 ab da seinen Stempel aufdrückte und das Flugzeug technologisch so zergliederte und vereinfachte, daß trotz höherem technischen Aufwand größere Stückzahlen als von der Ju 88 produziert werden konnten. In der Entwurfsaerodynamik steht wiederum Dr. Georg Backhaus' Name an erster Stelle, der für die aerodynamischen Berechnungen zur Ju 288 verantwortlich zeichnete.

Detailkonstruktion
Nach der Erteilung eines Entwícklungsauftrages auf die Ju 288 begann ab Sommer 1939 die Detailkonstruktion. Als Mittler zwischen Entwurf, Versuch und Konstruktion fungierte wie schon bei der Ju 87 wieder Hermann Pohlmann als Typenleiter (Nach Pohlmanns Erkrankung übernahm Baade die Leitung). Auf den Konstruktionszeichnungen zur Ju 288 finden sich die Namen von Johannes Haseloff, Trommer und Riedel (Rumpf), Justus Muttray (Druckkabine) sowie Fritz Freundel, Marks und Esther (Flügel, Leitwerk). Gerade die Detailkonstruktion der Ju 288 steht auf einem so außerordentlich hohem Niveau, daß es sich lohnt, einmal genauer unter die Blechhaut dieses sensationellen Flugzeuges zu blicken.
 

  In der Flügelkonstruktion wurde der Endpunkt der Holmbauweise erreicht, das heißt, eine weitere quantitative Entwicklung war nicht mehr möglich (geringstes Gewicht bei maximaler Belastungsfähigkeit beim Sturzflug mit 700 km/h), weil danach ein qualitativer (dialektischer) Umschlag hin zur Schalenbauweise erfolgen würde. Und zwar war es beim Ju-288-Flügel so, daß alle vier Flügelholme einschließlich der Anschlußbolzen in einem Stück gesenkgeschmiedet waren mit Dickenanpassung entsprechend der Flügellasten. Das Holmprofil wies Anschraublappen für die Beplankung auf, so daß der Kraftfluß in die äußersten Materialfasern gelegt wurde wie bei einer Flügelschale. Die Hautfelder waren auf der Oberseite herausnehmbar, um schneller zerschossene Kraftstoffbehälter auswechseln zu können. Für Geschwindigkeiten bis 700 km/h war diese Konstruktion einmalig gut. Der Aufwand für die Herstellung der Flügelholme war maschinenmäßig allerdings enorm (30.000-Tonnen-Presse erforderlich), zeitmäßig dagegen äußerst effektiv, weil die Holme praktisch in einem Schritt in die richtige Form gepreßt und anschließend auf einer Sonderfräsmaschine nur noch die Lappen und der Anschlußbolzen nachbearbeitet werden mußten.

   Eine genauso frappierend durchdachte Konstruktion stellte der Rumpf dar. Vom Entwurf her war der Rumpf zur Aufnahme aller Bombenkaliber deutscher Produktion vorgesehen, ja sogar Torpedos konnten im Rumpf getragen werden, und das bei einer Rumpfbreite von nur 99 Zentimetern! Um diesen Rumpf so klein und dennoch stabil bauen zu können, wurde die Flügelbauweise auf den Rumpf übertragen. Die Spanten werden zu versteifenden Rippen, während die vier Längsholme und die Tankraumabdeckung das tragende Gerüst bildeten. Auch hier verlaufen wieder die Kräfte durch die ganz nach außen gelegten Verkleidungsbleche, so daß die beiden Rumpfseitenschalen wie Flügelober- und unterschale aufgebaut sind. Die oberen Rumpfbeplankungsbleche können wieder einzeln herausgenommen werden, um leichter an die Tanks zu kommen. Für die Fertigung ergeben sich nur Vorteile. Die einzelnen fast ebenen Rumpfschalen passen perfekt unter eine automatische Nietpresse, was die Genauigkeit erhöht und die Bearbeitungszeiten senkt. Zugleich lassen sich die fertigen Rumpfseitenwände platzsparend stapeln und leicht transportieren. Technologie und Konstruktion waren also perfekt auf die Großserienproduktion ausgerichtet.

   Am interessantesten und technisch hochstehendsten war jedoch die Ju-288-Kanzel. Dieses "Nervenzentrum" konnte von nur drei Besatzungsmitgliedern zuverlässig bedient werden, weil viele Abläufe automatisiert waren und die Besatzung sehr gut miteinander kommunizieren konnte und beim Tod eines Besatzungsmitgliedes auch schnell die Positionen untereinander gewechselt werden konnten. Der Entwurf der druckbeaufschlagten Vollsichtkanzel stammte von Hans Wocke, die konstruktive Vorklärung von Justus Muttray und die konstruktive Ausführung von Fritz Stiller. Die Konstruktion war doppelwandig ausgeführt. Wie bei einer Thermosflasche befand sich Luft zwischen der äußeren und inneren Schale zur Isolierung gegen Kälte und Hitze. Die großflächige Verglasung bot ein Sichtfeld besser als in jedem Jagdflugzeug, so daß der Gegner schnell ausgemacht und zielgenau bekämpft werden konnte. Auffällig sind die seitlichen tropfenförmigen Glaskuppeln, die dem MG-Schützen beste Sicht nach hinten bieten. Mit dem eigens für die Ju 288 entwickelten Junkers-Fernantrieb "FA" konnten A-, B- und C-Stände über eingebaute Periskope von der Kanzel aus auf den Gegner ausgerichtet werden. Die Fernantriebe waren nicht nur wegen der Zusammenfassung der Besatzung in der vorderen Kanzel notwendig geworden, sondern auch wegen der hohen Fluggeschwindigkeit, die das manuelle Ausrichten der MG's und Kanonen erschwerte, wodurch die Schützen schnell ermüdeten. Die Druckkabine selbst war für 2.500 m Druckhöhe bei 8 km Flughöhe konstruiert, was 0,39 atü Überdruck entspricht. Auch heute noch wirkt die glatte formschöne Kanzel genau so futuristisch wie damals.

Motorentwicklung dauert im Schnitt fünf Jahre
Der Motor Jumo 222 bildete das Herzstück der Ju 288. Ohne ihn erreichte die Ju 288 kaum die Leistungen der Ju 88, weil das Gewicht durch die Automatisierungen, die Fernantriebe, den riesigen Bombenraum und die schwerere Druckkabine deutlich gestiegen war. Mit einer Startleistung von zweimal 2.500 PS war die Ju 288 sehr stark motorisiert. Das war die doppelte Leistung, die der Ju 88 zur Verfügung stand, bei nur 35 % höherem Gewicht der Ju 288. Mit diesem Leistungsüberschuß in der Startphase war es aber noch nicht getan. Der kleine Stirnwiderstand des Jumo 222 unterstützte maßgeblich den Schnellflug der Ju 288, weil der Flugwiderstand je bekanntlich im Quadrat mit der Fluggeschwindigkeit wächst. Jedem Quadratzentimeter weniger Stirnfläche kommt im Schnellflug im wahrsten Sinne des Wortes doppelte Bedeutung zu. Das heißt, der Jumo 222 war ein ausgesprochener Schnellflug-Motor. Dazu gehört auch, daß der Auspuffdruck (besonders in großen Höhen) zur Geschwindigkeitssteigerung herangezogen wurde, und daß die Preßwasserkühlung einen Wasserkühler mit kleinerem Stirnwiderstand zur Folge hatte.

   Was war nun das Besondere am Motor 222, das ihn zum besten Flugmotor aller Zeiten machte? Ferdinand Brandner hatte in seinem Entwurf im Prinzip drei V-Motoren zu einem Ring mit gemeinsamer Kurbelwelle zusammengesetzt (Wahrscheinlich auf Geheiß von Otto Mader, denn die Abmessungen lassen auf drei Jumo 210 schließen). Durch diese sternförmige Zusammenfassung dreier V-Motoren konnte das Kurbelgehäuse sogar noch verkleinert werden, wodurch der Jumo 222 nur 20 Zentimeter im Durchmesser größer baute als der Jumo 210 bei verdreifachter Leistung! Gegenüber dem Jumo 211 war der Stirndurchmesser um nur zehn Zentimeter gewachsen bei verdoppelter Leistung. Um die Zusammenfassung auf eine einzige Kurbelwelle zu erreichen, hatte Brandner ein starkes Hauptpleuel und fünf Nebenpleuel pro Stern vorgesehen. Durch den Verzicht auf zwei Zylinderreihen (vier statt sechs) versuchte Brandner den zu erwartenden Schwingungsproblemen entgegenzuwirken. Dennoch war als mögliche Weiterentwicklung das Anfügen der zwei Zylinderreihen leicht möglich, wodurch die Leistung von 2.500 PS auf 3.750 PS steigen würde. Durch weitere Drehzahlsteigerungen sollten auch Leistungen bis zu 4.500 PS möglich werden. Das wäre für einen Kolbenmotor eine unglaubliche Leistung gewesen.

  Mit rund 3.000 u/min war der Motor für die damalige Zeit ein echter Schnelläufer. Erreicht wurde das nicht zuletzt durch die geringe Hubhöhe der Kolben. Demgegenüber wurde die Zylinderbohrung vergrößert, wodurch der Hubraum auf 1,94 Liter gegenüber dem Jumo 210 (1,63 l) stieg. Die Hubreduzierung kam dem Durchmesser natürlich zugute. Da der Motor zum Einbau in Bomber vorgesehen war, konnte der für den Höhenflug notwendige Lader einfach auf der Rückseite der Kurbelwelle angeordnet werden. In seiner ersten Version kam der Jumo 222 auf eine Volldruckhöhe von 6,4 km, in seiner letzten Version auf 9,4 km. Um die Flugeigenschaften der Ju 288 zu verbessern, wurde von Anfang an eine Gegenläufigkeit der Luftschrauben vorgesehen, so daß es immer zwei Motorversionen gab, einen linksläufigen und einen rechtsläufigen.
   Die Entwicklung des Jumo 222 kam zügig voran. Am 24. April 1939 kam der erste Vollmotor auf den Prüfstand und überzeugte sofort durch seine Laufruhe bis zur Volldrehzahl. Erst mit zunehmender Belastung zeigte sich, daß noch eine Menge Kinderkrankheiten zu bewältigen waren (Motorenentwicklungen dauern immer länger als Zellenentwicklungen). Im Herbst 1941 erreichte der Jumo 222 dann endlich seine Serienreife unter Dauerbelastung mit 2.500 PS. Da war der Motor auch schon mit 3.000 PS kurzzeitig gelaufen. Im Sommer 1941 hatte sich Otto Mader für den Motor gegenüber dem RLM verbürgt. Doch das RLM hatte da schon weiche Knie bekommen und suchte nach einer schnelleren Lösung und fand sie in der "Schnellösung" Doppelmotor DB-606 und 610, was sich jedoch schnell als Sackgasse entpuppte. An die Leistungsdichte eines Jumo 222 reichte die Doppelmotorlösung sowieso nie heran.

 

Ju 288 V3 in der Einflughalle nach dem 100. Flug 1941.

 

Stuka Ju 288 A
Die ursprüngliche Version der Ju 288 stellte eine Mischung aus Ju 88 und Ju EF-61 dar, wobei die Ju 288 kraftstoffsparend und unangreifbar in großen Höhen ihr Ziel anfliegen sollte, im Sturzflug oder im Tiefflug das Ziel angreifen und sich anschließend mit Höchstgeschwindigkeit in 4 km Höhe aus dem Staub machen sollte. Die als Ju 288A bezeichnete Version war für Flüge in 4 bis 6 km Höhe optimiert, sie war sehr wendig, punktuell gepanzert, extrem schnell und mit einer oder drei beweglichen schweren Zwillings-MG's und zwei festen nach vorn schießenden MG's bewaffnet. Sie hatte drei Mann Besatzung und die doppelte Reichweite der Ju 88. In dieser Ausführung wäre sie als Ablösemuster für die He 111, Ju 88, Do 17 und Me 110 ideal gewesen. Die Ju 288 V1 wurde im Dezember 1940 fertig. Doch der Motor Jumo 222 brauchte da noch ein weiteres halbes Jahr, so kam der zu große und zu schwache BMW 801 zum Einbau, was die Fertigstellung und auch die Flugerpobung verzögerte. Letzlich wurden von der A-Version nur fünf Flugzeuge gebaut, wovon die V5 erstmals Jumo 222-A/B-Motoren mit zunächst auf 2.000 PS reduzierter Leistung erhielt. Diese Maschine flog am 23. November 1940 mit Flugkapitän Hans-Joachim Matthies zum ersten Mal. Dabei beeindruckte das Flugzeug durch seine ausgereiften Flugeigenschaften, seine Wendigkeit und Beschleunigung.

Höhenbomber Ju 288 B
1940 hatte sich die Ju 88 an der Westfront als ausgezeichnetes Flugzeug erwiesen, so daß man es mit der Einführung der Ju 288 nicht eilig hatte. Im Warten auf den Motor Jumo 222 glaubte das RLM die Zeit nutzen zu müssen, um die Ju 288 weiterzuentwickeln. Gerade bei den Angriffen auf England hatte sich gezeigt, daß die langsamen Ju 87 und He 111 eine leichte Beute der englischen Jäger waren und auch die Ju 88 sich den schnellen Spitfires kaum erwehren konnte. Gefordert wurden deshalb eine stärkere Abwehrbewaffnung und ein Flug in Höhen, in die die Spitfires nicht vordringen konnten. Das führte bei Junkers zur Modifizierung der Ju 288 zur Variante B. Die Marschflughöhe konnte von 8,5 km auf 11 km angehoben werden. Das gelang durch einen neuen Flügelgrundriß, wobei der Flügelkasten weitgehend beibehalten wurde, während Nasen- und Endkasten erheblich modifiziert wurden. Dem gingen gründliche Untersuchungen im Windkanal voraus. Der veränderte Flügelgrundriß ging allerdings auf Kosten der Flugeigenschaften in dichter Luft. Das ausgewogene Verhältnis von Stabilität und Steuerbarkeit war dahin. Dafür stieg die Höchstgeschwindigkeit um 30 km/h durch die größere Höhe, allerdings nur mit verbesserten Ladern, und die Reichweite mit 2 t Bomben von 4.000 km auf 6.700 km.
 

   Die erste Ju 288 B war die V6, die am 18. Januar 1942 zum ersten Mal flog. Die V9 besaß erstmals eine Viermann-Kanzel, was auf Forderungen der Front und des RLM zurückging. Spätestens ab 1941 begann dann eine Entwicklung, die das Ende der Ju 288 einläutete. Da der neue technische Leiter des RLM, Erhard Milch, keinen Arsch in der Hose hatte bzw. keinen Überblick, schwenkte er laufend, je nach Kriegslage, um in seinen Forderungen an den neuen Bomber Ju 288. Außerdem wollte er nach dem Freitod von Ernst Udet die Vormachtstellung der Firma Junkers brechen und das ging am besten mit und durch die Ju 288.
 

"Katastrophenbomber" Ju 288 C
Die vom RLM geforderte C-Version konterkarierte alles, was Junkers eigentlich mit der Ju 288 erreichen wollte. Die Forderung nach einer Viermann-Kanzel, zusätzlichen Geschütztürmen, zusätzlichen Periskopen, zusätzlichem Treibstoff und schlußendlich den störanfälligen Daimler-Benz-Doppelmotoren machte innerhalb weniger Monate das Flugzeug kaputt. Die Ju 288 V11 wurde auf Doppelmotoren DB-606 umgebaut. Ab der neuen Serie V 101 kamen dann die noch größeren DB-610 zum Einbau. Ohne den Jumo 222 war die Ju 288 aber nichts wert. Milch hatte eigenmächtig den Jumo 222 im Hersbt 1941 vom Serienbau abgesetzt. Für diesen Motor hatte Junkers in Wiener-Neudorf extra ein riesiges neues Motorenwerk gebaut, das ab 1942 monatlich 1.000 Motoren Jumo 222 ausstoßen sollte. Das Werk bekam nun Daimler-Benz zugeschanzt für die Produktion der Doppelmotoren DB-610. Doch Daimler-Benz war mit der Organisation der Bauarbeiten und der Einrichtung der Produktion überfordert. Die Flugmotorenabteilung von Daimler-Benz und der Organisationsstab hatten nicht die Perfektion von Junkers. Diese späte Einsicht im RLM konnte 1942 nicht mehr rückgängig gemacht werden. Das Motorenwerk Ostmark wenige Kilometer hinter Wien blieb von 1942 bis 1945 ein Geisterwerk. Über eine Stückzahl von 50 Motoren DB-610 kam die Montage nie hinaus, eine Produktion der Motorenteile konnte in Wiener-Neudorf nie aufgebaut werden, die kamen weiterhin aus Stuttgart. 1943 stellte Daimler-Benz im Werk Ostmark die Produktion ganz ein. Die Hallen, wo mal 20.000 Leute arbeiten sollten, blieben bis Kriegsende ungenutzt.
 

Während die Ju 88 im Laufe ihrer "Entwicklung" von 8 Tonnen auf 12 Tonnen anschwoll, legte die Ju 288 noch gewaltiger zu, nämlich von 14 Tonnen (EF-78) auf 23 Tonnen (Ju 288 C). Der Tod der Ju 288 war ein Tod auf Raten. Es begann mit der Umkonstruktion auf die Variante B unter dem Eindruck der Luftschlacht um England im Sommer 1940 und verlief dann scheibchenweise über zig Bewaffnungsvarianten der Versionen A und B, dem vorsätzlichen Zerstören der Jumo-222-Entwicklung durch Milch und die weiteren sich laufend widersprechenden Forderungen nach stärkerer Abwehrbewaffnung, was schließlich zu dem Ungetüm Ju 288 C führte, die genauso wie die He 177, Me 209, Me 210 und He 100 auf dem Schrottplatz endete. Wenn man einen Schluß aus den gescheiterten technischen Entwicklungen im deutschen Flugzeugbau in den Kriegsjahren ziehen kann, dann den, daß alle Entwicklungen, die nicht schon vor Kriegsbeginn 1939 weitgehend abgeschlossen waren, nicht mehr zum Einsatz gelangten, weil sich Deutschland wirtschaftlich längst überhoben hatte.
 

Objektiv betrachtet, hatte Deutschland kräfte- und größenmäßig nur die Chance maximal solche Länder wie Frankreich oder England zu besiegen, aber auch nur, wenn es gelang, diese einzeln zu bekämpfen. Doch gegen die unermeßlich große und reiche Sowjetunion war kein Krieg zu gewinnen. Daß die deutschen Truppen überhaupt bis vor Moskau gelangten, lag an den groben Fehlern der sowjetischen Staatsführung. Das mußten Millionen Russen mit dem Leben bezahlen. Als dann ab Januar 1942 die hinter den Ural verlegten Rüstungsbetriebe die Produktion hochfuhren, war das Schicksal der deutschen Armeen besiegelt. Hitler dagegen hatte angenommen, daß Moskau bis Weihnachten 1941 gefallen sei, und daß dann mit den russischen Ressourcen der Entscheidungskampf gegen England geführt werden konnte. Zuvor, also im Winter 1941/42, hätte Junkers genügend Zeit gehabt, die Serienproduktion von der Ju 88 auf die Ju 288 umzustellen. Das wäre aber nur mit einem Einbruch der Ausstoßzahlen der Ju 88 für etwa zwei bis drei Monate verbunden gewesen. Nur unter dieser Bedingung hätte es zum Serienbau der Ju 288 kommen können. So aber war es unmöglich, die Serie von Ju 88 auf 288 umzustellen, denn dann wäre dasselbe passiert, was die Russen 1941 erlebt hatten, als sie keine Flugzeuge aus der Produktion bekamen, weil die Werke wegen der Evakuierung nicht produzierten.
   Im Krieg ist eine Umstellung der laufenden Serienproduktion auf einen neuen Typ unmöglich. Einen neuen Typ zu produzieren geht nur, wenn man zusätzlich ein neues Werk bauen und dafür die Arbeitskräfte und Maschinen beschaffen kann. Für die Amerikaner war das kein Problem.

 Technische Daten Ju 288A (Daten V5):

Verwendung: Bomber, Stuka, Aufklärer, Zerstörer, Torpedojäger; Schlachtflugzeug;
Motor: 2 x Junkers Jumo 222 mit je 2.000 PS; Volldruckhöhe: 6,1 km;
Startmasse: 16.700 kg; Rüstmasse: 11.000 kg; Bomben: 2-4 t; Kraftstoff 3.9-5.2 t;
Spannweite: 22,0 m; Flügelfläche: 59 qm; Länge: 16,5 m; Höhe: 5,0 m;
Höchstgeschw.: 660 km/h in 6,1 km; Marschgeschw.: 565 km/h in 8,5 km; Landegeschw.: 150 km/h; Steigleistung: 7,1 m/s; Dienstgipfelhöhe: 11,98 km; Reichweite: 4.000 km mit 2 t Bomben;
Startrollstrecke: 690 m; Landerollstrecke: 650 m;

Großbomber Ju 488

 

Aus der Ju 288 schuf Hans Wocke 1943 den modular (aus Ju-288-Bauteilen) aufgebauten Großbomber Ju 488, das heißt, eine verdoppelte viermotorige Ju 288 für die Langstrecke. Zwei V-Maschinen entstanden 1944 im französischen Junkerswerk Toulouse, die jedoch bei Bombenangriffen vernichtet wurden.