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Das Motoren- und Gerätewerk Karl-Marx-Stadt

Als die Junkers-Elite im Sommer 1954 in die DDR zurückgekehrt war, wurde man sich ziemlich schnell einig, den Motorenbau in der Maschinenbaumetropole Karl-Marx-Stadt aufzuziehen. Hier gab es die Fachleute (Junkers hatte mit der Chemnitzer Auto Union bis 1945 gut zusammengearbeitet) und eine genügende Konzentration von Arbeitern und Ingenieuren.

Das einstige Continenthal-Schreibmaschinenwerk wurde leer geräumt und nach Thüringen verlagert. Aus dem Büromaschinenwerk an der Zwickauer Straße entstand 1955 das "Industriewerk Karl-Marx-Stadt", in dem ab sofort der Kolbenmotor ASch-82, Flugzeughydraulikanlagen, Fahrwerke, Schmierstoffpumpen, Scheibenwischer, Regelgeräte und Anzeigegeräte, kurz, das gesamte technische Innenleben eines Flugzeuges produziert werden mußten. Im Zuge dieser Entwicklung übernahm das "I-Werk" nach und nach immer mehr eigene Konstruktionsaufgaben, so daß Karl-Marx-Stadt sowohl Serien- als auch Entwicklungswerk für Flugzeug-Geräte wurde.

Als das Flugzeug "153" Ende 1956 fertig projektiert, aber die dazugehörige Propellertubine Pirna-018 noch längst nicht fertig geschweige denn serienreif war, sollten in Karl-Marx-Stadt die sowjetischen PTL AI-20 (4.000 äPS) in einer Serie von 400 Triebwerken gebaut werden. Dafür entstanden hinter dem alten Büromaschinenwerk mehrere neue Fertigungshallen und zusätzliche größere Motorenprüfstände. Doch die Arbeitskräftesituation war im Bezirk Karl-Marx-Stadt inzischen so angespannt, daß man sich entschließen mußte, ein neues Serien-Werk bei Berlin (Ludwigsfelde, wo nach Ende des Flugzeugbaus eine LKW-Produktion für den W-50 aufgezogen wurde) zu bauen.

Nach dem Ende des Flugzeugbaus 1961 wurden im I-Werk Karl-Marx-Stadt noch bis 1965 Motoren vom Typ ASch-82T als Ersatzmotoren gebaut. Bis 1982 lief dann noch die vertraglich garantierte Ersatzteilfertigung für diesen Motor, so daß auch noch vereinzelt Prüfstandsläufe erfolgten. Doch schon 1961 kam es zur Umstrukturierung und Umwandlung in die bis 1989 weltbekannte "Orsta-Hydraulik", die für den Werkzeugmaschinenbau und den Fahrzeugbau Hydraulikaggregate entwickelte und auch in großen und kleineren Serien baute. Federführend dabei war der alte Junkers-Sonderkonstrukteur Erwin Handke, der für die Ju 90 V5 und V6 die Absaug- und Ausblaseanlage konstruiert hatte und der bereits bei Junkers sich einen Namen mit seinen durchdachten Hydraulikkonstruktionen gemacht hatte.

 

Das Industriewerk (I-Werk) in Karl-Marx-Stadt von der Neefestraße aus gesehen. Der Haupteingang befand sich hinten im Bild an der Zwickauer Straße. Der hintere Teil ist das Altwerk, das aus dem Büromaschinenwerk heraus entstand, der vordere Teil vor der Bahnstrecke Karl-Marx-Stadt-Zwickau wurde ab 1955 neu erbaut und für den Serienbau von Kolbenmotoren und Propellerturbinen konzipiert und deshalb überdimensioniert, denn der Strahlturbinenbau ging 1957 nach Ludwigsfelde im Süden von Berlin.